Unsere Feinde im All

Ein greller Lichtblitz – mehr würden wir vom Weltuntergang kaum mitkriegen. Etwa acht Minuten nach der kosmischen Katastrophe trifft er ein und blendet uns. Unmittelbar danach sind wir tot. Denn gleichzeitig sterilisieren extrem intensive Schübe von Röntgen- und Gammastrahlung unseren gesamten Globus. Den Rest besorgt die Druckwelle, die knapp zwei Stunden später eintrifft: Der Gesteinsplanet, den wir Erde nennen, wird pulverisiert, aufgelöst in seine atomaren Bestandteile. Die Menschheit ist Geschichte.

 

Das Szenario, von dem wir hier sprechen, ist das einer Supernova – die Explosion eines Sterns. Und zwar nicht irgendeines Sterns, sondern unserer Sonne. Supernovae kommen im Universum immer wieder vor. Es ist das Schicksal vieler Sterne, am Ende ihres Daseins, wenn der Brennstoff verbraucht ist, in einer gigantischen Detonation zu zerbersten. Dabei entwickeln sie die Sprengkraft von bis zu 1033 Hiroshimabomben, das ist eine Eins mit 33 Nullen – unvorstellbar viel Energie.

 

Eine solche Explosion in der Nähe unserer Erde wäre der ultimative Super-Gau, das absolut schlimmste, was uns im ganzen Universum blühen könnte. Doch wir haben Glück: Unsere Sonne wird nicht explodieren. Denn dazu ist sie trotz ihrer gigantischen Größe zu klein. Stattdessen wird sie nach Berechnungen von Astronomen noch sechs bis sieben Milliarden Jahre weiter scheinen, dann vergleichsweise sanft ihre äußeren Gasschichten abstoßen und als so genannter Weißer Zwerg langsam verglühen.

 

Was jedoch nicht heißt, dass uns aus dem Kosmos keine Gefahr droht. Im Gegenteil. Nüchtern betrachtet interessiert ihn herzlich wenig, dass hier auf Erden ein womöglich einzigartiges Paradies voller Leben entstanden ist. Im Weltall herrschen die strengen Gesetze der Astrophysik. Und die führen zu Explosionen, Strahlenausbrüchen und verheerenden Kollisionen, die auch uns treffen können. „Das Universum ist ein extrem lebensfeindlicher Ort“, schreibt der US-Astronom Philip Plait in seinem neuen Buch „Tod aus dem All“. „Als wäre es darauf aus, uns alle umzubringen.“ Wo also lauern die größten Gefahren? Und können wir uns davor schützen?

 

Zunächst einmal könnte natürlich statt der Sonne einer der rund 200 Milliarden anderen Sterne in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, explodieren. Der uns nächste von ihnen, der die nötige Masse hat und dem Anschein nach binnen weniger tausend Jahre – oder auch schon morgen – hochgehen könnte, heißt Beteigeuze. Er ist rund 15 Mal so schwer wie unsere Sonne und 425 Lichtjahre entfernt. Also quasi ein Nachbar, denn die Milchstraße durchmisst insgesamt 100.000 Lichtjahre.

 

Wenn Beteigeuze explodierte, würde der Lichtblitz uns zwar nicht blenden wie die Sonne, „er wäre aber 16.000 Mal heller als alle anderen Sterne zusammen und würde das ganze Firmament überstrahlen“, schreibt der Astronom und Wissenschaftsjournalist Michael Odenwald in dem Buch „Michael Odenwalds Universum“. Die freigesetzte Strahlung – bei dieser Entfernung der gefährlichste Faktor – würde ziemlich sicher Menschen töten. Jedoch nur Astronauten im All. Der Rest der Menschheit wäre dank der Atmosphäre sicher. Sie umgibt die Erde wie eine Schutzhülle und fängt die meisten Strahlenattacken mit ihrem Netz aus Myriaden Teilchen ab.

 

Simulationen haben gezeigt, dass eine normale Supernova wie sie bei Beteigeuze bevorsteht, uns nur in einer Entfernung von maximal 60 bis 100 Lichtjahren ernsthaft schaden könnte. Für eine totale Auslöschung des irdischen Lebens dürften es sogar nur fünf bis zehn Lichtjahre sein. Es gibt zwar Sterne, die so nah liegen; sie sind jedoch allesamt unverdächtig.

 

Es geschehen aber noch gewaltigere Dinge im Universum: so genannte Gammastrahlenausbrüche. Sie entstehen zumeist bei einer „Hypernova“, wenn ein extrem massereicher Stern explodiert – was etwas anders abläuft als eine Supernova: Während der Stern, mindestens 40 Mal größer als unsere Sonne, detoniert, fällt sein dicht gepackter Überrest im Kern zu einem Schwarzen Loch zusammen – die Anziehungskraft wird so stark, dass nicht einmal mehr Licht entkommen kann. Weil sich dieses Loch wie der Stern zuvor auch dreht, zieht es alle Materie in der Umgebung spiralförmig an, um sie zu verschlucken. In dem Moment, da es sich bildet, schießt senkrecht zu beiden Seiten der Spiralebene je ein Strahl wie der Kegel von in den Himmel gerichteten Diskoscheinwerfern ins All. Hoch konzentriertes Licht wie in einem Laser, nur weit intensiver: In den wenigen Sekunden, die der Strahl dauert, sendet er etwa so viel Licht aus wie die Sonne in einem ganzen Jahr. Alles, was unmittelbar im Weg liegt, wird zu Elementarteilchen zerstäubt. Auch um die Erde wäre es in dem Fall geschehen.

 

Der uns nächste Kandidat für eine solche Hypernova ist der Riesenstern Eta Carinae. Er ist 100 bis 150 Sonnenmassen schwer und der am weitesten entfernte Stern, den wir mit bloßem Auge am Nachthimmel sehen können: 7500 Lichtjahre. Wie bei Beteigeuze deuten diverse Gasrülpser in den letzten Jahrhunderten daraufhin, dass er jeden Moment losgehen könnte. Doch wir sind abermals im Glück: Eta Carinae befindet sich etwa 1000 Lichtjahre außerhalb der Gefahrenzone für Gammastrahlenausbrüche. Außerdem verläuft seine Drehrichtung so, dass uns der Strahl wohl weit verfehlen würde.

 

Da ist die Trefferquote von Sonnenstürmen, einer weiteren Gefahr aus dem All, sehr viel höher. Ausgelöst durch abrupte Veränderungen in ihrem Magnetfeld bläst die Sonne immer wieder einen Schwung elektrisch geladener Partikel ins All. Quasi wöchentlich trifft einer die Erde. Diese Stürme sind zwar weit weniger energiereich als Sternenexplosionen. Aber rund zehn Mal pro Jahrhundert doch so heftig, dass sie uns ernsthaft schaden können, weil sie die Atmosphäre durchbrechen.

 

Am 13. März 1989 zum Beispiel fielen neben mehreren Satelliten in der Erdumlaufbahn auch Kraftwerke am Boden aus, weil die magnetischen Partikel Stromleitungen bis zum Bersten überluden. Allein in Kanada entstand so ein Schaden von mehreren Milliarden Euro. Und das ist noch gar nichts: Würde uns ein Sturm treffen wie am 28. August 1859, dem stärksten der je registriert wurde, wären die Folgen weit schlimmer. Damals, als Elektrizität weltweit noch ein Fremdwort war, schlugen nur in einigen Telegraphenämtern Europas und Nordamerikas Funken aus den Leitungen, und manche Stationen fingen Feuer. Heute jedoch hängt die gesamte Wirtschaft derart vom Strom ab – die Schäden würden sicher in die Billionen gehen: Leitungsnetze, Satelliten, Internet, Telefon – nichts würde mehr funktionieren. Und die Reparatur Jahre dauern.

 

Die Gefahr ist akut: Die magnetischen Eruptionen hängen mit dem 11jährigen Aktivitäts-Zyklus der Sonne zusammen, der vor dem nächsten Maximum steht. Für das kommende Jahr erwarten Experten daher die nächste Sonnensturmsaison. „Das ist ähnlich wie bei der Hurrikansaison im Atlantik“, sagt der Astrophysiker Volker Bothmer, Experte für Weltraumwetter an der Universität Göttingen. „Es muss nicht passieren, aber die Wahrscheinlichkeit für einen großen Knaller ist in dieser Phase größer. Andererseits ist der Zusammenhang mit dem Sonnenzyklus nicht zwingend. Es kann uns auch schon morgen treffen.“

 

Immerhin aber ist selbst ein starker Sonnensturm nicht unmittelbar tödlich. Zudem sind wir technisch in der Lage, uns zu schützen: „Wir müssten unsere Satelliten und Stromnetze verstärken“, sagt Philip Plait im Gespräch mit Wunderwelt Wissen. „Das würde allerdings eine Stange Geld kosten.“

 

Bislang nehmen die Verantwortlichen diese Gefahr noch nicht entsprechend ernst. Etwas weiter sind sie da bei der Bedrohung, die wir vor allem aus dem Kino kennen: die eines Asteroideneinschlags. „Gemessen an der Wahrscheinlichkeit des Ereignisses und der möglichen Tragweite der Folgen ist das sicherlich die größte Gefahr, die uns aus dem All droht“, sagt der Astrophysiker Marcus Brüggen von der Jacobs University Bremen. Philip Plait bestätigt: „Asteroiden könnten im Extremfall das komplette Leben auf der Erde auslöschen; die Tatsache, dass wir keine Dinosaurier sind, ist ein guter Beweis dafür.“

 

Damit spielt Plait auf den bekanntesten kosmischen Unfall der Erdgeschichte an: Vor 65 Millionen Jahren schlug ein rund zehn Kilometer großer Bolide mit gut 50.000 Kilometern pro Sekunde und einer Sprengkraft, die das Gesamtpotenzial des weltweiten Nuklearwaffenarsenals millionenfach übertrifft, am Rand der mittelamerikanischen Halbinsel Yucatan ein. Beim Aufprall, der einen 30 Kilometer tiefen und 300 Kilometer breiten Krater riss, verwandelte die Hitze einen Teil des Golf von Mexiko augenblicklich zu Wasserdampf. Das verbleibende Wasser türmte sich zu einem hunderte Meter hohen Tsunami auf – doch schon die Druck- und Hitzewelle des Einschlags verwüstete alles im Umkreis von vielen hundert Kilometern. Tonnenweise Gesteinsbrocken wurden in die Luft geschleudert und regneten noch tausende Kilometer entfernt glühend vom Himmel. „Eigentlich ging der ganze Planet in Flammen auf“, sagt Philip Plait. Wer trotzdem überlebte, musste einen jahrelangen Winter überstehen, weil die Asche sich in der Atmosphäre verteilte und die Sonne verdunkelte.

 

75 Prozent allen Lebens fegte dieser Asteroid von der Erde, darunter auch die damals herrschende Tierklasse, die Dinosaurier. Unter den Überlebenden waren die zu der Zeit noch unbedeutenden Säugetiere, von denen wir abstammen. Die kosmische Katastrophe schuf also erst den Raum für die Evolution des Menschen.

 

Ähnlich verheerende Asteroideneinschläge kommen im Schnitt alle zehn Millionen Jahre vor und haben auch vor den Sauriern schon zu diversen Massensterben geführt. Der nächste Einschlag ist statistisch bereits überfällig. Ein kleiner Warnschuss traf 1906 Sibirien, glücklicherweise in den unbewohnten Wäldern bei dem Flüsschen Tunguska: Der Meteorit war nur 50 Mal 100 Meter groß, ließ aber im Umkreis von 25 Kilometern alle Bäume umknicken wie Streichhölzer. Eine Bombe wie der Dino-Killer vor 65 Millionen Jahren dagegen würde mit ziemlicher Sicherheit auch die Menschheit an den Rand der Ausrottung bringen.

 

Doch wir haben einen Vorteil: Wir können vorsorgen. Astronomen suchen seit Jahren das All mit Teleskopen nach potenziell gefährlichen Asteroiden und Kometen ab. Gut tausend sind inzwischen bekannt, die einen Durchmesser von 150 Metern oder mehr haben und der Erde nah kommen könnten (wobei „nah“ hier weniger als 7,5 Millionen Kilometer heißt). Aktuelles Beispiel: Der Asteroid Apophis, rund 250 Meter groß, könnte uns 2036 mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:45.000 treffen.

 

Das klingt sehr unwahrscheinlich. Aber da ein Treffer so fatal wäre, erarbeiten Raumfahrtingenieure dennoch Methoden zum Abfangen. Die Europäische Raumfahrtagentur ESA etwa entwickelt die Sonde „Don Quijote“. Sie besteht aus zwei Flugkörpern. Der eine, „Sancho“, fliegt den Asteroiden langsam an, begleitet ihn und bestimmt die genaue Flugbahn. Der zweite, „Hidalgo“, soll den Asteroiden durch einen Aufprall leicht von seiner Bahn ablenken. Sancho misst dann, ob es reicht, um die Erde zu verfehlen. Der erste Probeflug von Don Quijote wird im besten Fall 2011 stattfinden.

 

Auch wenn wir natürlich einen Killerasteroiden übersehen könnten, ist die unmittelbare Gefahr aus dem All insgesamt gesehen also relativ gering. Nichtsdestotrotz wird das Leben auf Erden – wenn wir es nicht selbst auslöschen – schließlich dennoch durch ein kosmisches Ereignis sein Ende finden. Und zwar letztlich doch durch die Sonne: Bevor sie zum Weißen Zwerg mutiert, wird sie immer heißer. In gut einer Milliarde Jahre verdunstet die Erdatmosphäre und zwei Milliarden Jahre später die Ozeane. Die Bedingungen für Leben werden unerträglich. Und vor dem Abstoßen ihrer Gashülle bläht sich die Sonne noch so weit auf, dass sie die Erde verschluckt oder bis nahe an ihr Umlaufbahn heranreicht. Selbst die letzte Mikrobe wird dann gegrillt.

 

Am Ende ist der Tod aus dem All also unabwendbar.

 

PM-Magazin
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